Wenn du es eilig hast, gehe langsam. Wenn du im Stress bist, bleibe stehen.

Seit ich vor zwanzig Jahren das Buch “Ich bin dann mal weg” von Hape Kerkeling gelesen habe, wollte ich auch die wunderbare Erfahrung eines Jakobsweg Wandernden machen. Das natürlich jeder seinen eigenen Weg gehen muss, ist mir dann auch mit der Zeit klar geworden. Das Pilgern ist in vielen Traditionen und Religionen fest verankert und bietet Suchenden eine Möglichkeit der spirituellen Entdeckung. Was das genau dann darstellt, ist sehr individuell.

Mein Partner und ich haben uns kurzfristig entschlossen, zwei Tage wandern zu gehen. Unsere kurze Erfahrung auf dem österreichischen Teil des Jakobsweges war logistisch sehr positiv. Die Wegmarkierungen waren immer ausreichend, die Herberge, nach telefonischer Voranmeldung, ließ keinen Wunsch offen und Quellen für die Wasserversorgung waren gut markiert. Die Freude jedoch als Paar miteinander zu wandern, kann kaum in Worte beschrieben werden. Es war ein unvergleichliches Erlebnis und hat uns in unserer Beziehung sehr gestärkt. Das Zusammensein über Stunden und Tage war mit ernsten und lustigen Gesprächen gespickt, sowie viel Zeit wo jeder seinen eigenen Gedanken nachhing.

Das Alleinsein über Stunden und plötzliche Zusammentreffen mit willkürlichen MItmenschen auf der Strecke, macht einen der Reize des Pilgerns aus. Genauso die oft wunderschöne Naturkulisse und das Treiben von Wind, Wetter und anderen Phänomenen. Die Einkehr in Raststationen und Übernachtungen machen einen weiteren Teil der Strecke aus. Auf bewanderten Wegen ist das oft einfacher, als wenn man sich seinen Pfad allein durch die Pampa stampft.

Das Gehen begleitet mich bereits seit Jahren und es ist eines der Werkzeuge, die einen stressigen Alltag für mich bestreitbar machen. Als ich mich dann auch noch tiefer mit der Geh-Meditation und dem achtsamen Gehen auseinandergesetzt habe, hat sich für mich eine weitere Tür geöffnet, wie ich Achtsamkeit in mein Leben bringen kann. Gehen ist etwas, wie das Atmen, das jederzeit verfügbar, kostenlos und für jedermann zu erlernen ist. Was jetzt genau der Unterschied zum Schlendern oder Flanieren ist, ist für mich die Konzentration, welche ich einsetzen muss, um jeden Schritt als einzigartig zu erleben. Mein Blick schweift nicht, mein Atem ist ruhig und langsam, meine Gedanken hören auf ein Bienenstock zu sein und mein Körper ist entspannt, aber in Bewegung. Das ist Geh-Meditation für mich. Es gibt verschiedene Ansätze in den diversen Traditionen von Theravada bis Zen, aber das Ziel ist immer gleich. Die Konzentration zu stärken und den Geist zu bändigen.

Das ziellose Hin- und Herlaufen wie ein aufgescheuchtes Hendl kommt zwar immer noch manchmal vor bei mir, aber der Unterschied ist jetzt, daß ich mich selber dabei ertappe. Da helfen dann ein paar tiefe Atemzüge, ein abruptes Innehalten und dann langsamer und bedacht weiter machen.


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